Leadership und Management

Interim Management

«Man muss die Arbeit mit Menschen unter schwierigen Bedingungen mögen»

Matthias Schweizer ist ein Experte auf dem Gebiet des Interim Managements in Schweizer Nonprofit-Organisationen (NPO). Seine Arbeit fördert das Verständnis für die Dynamiken und die Entwicklungen effektiver Strategien im Interim Management und trägt dazu bei, die Herausforderungen und Chancen in diesem Bereich besser zu verstehen und die Entwicklung von praxisorientierten Lösungen zu fördern. Im Interview gewährt er Einblick in seinen Berufsstand sowie in die Entwicklung des Marktes.

Von Joël Ch. Wuethrich 

Wie steht es um den Markt für Interim Management in der Schweiz?

Nonprofit-Organisationen in der Schweiz erkennen zunehmend die Vorteile von professionellem Management, um komplexe Herausforderungen wie Effizienzsteigerung, Fundraising, strategische Neuausrichtung und Krisenmanagement anzugehen. Interim Management bietet eine flexible Lösung, die es ermöglicht, kurzfristig auf spezifische Bedürfnisse zu reagieren, ohne langfristige Verpflichtungen einzugehen. Dies ist besonders in Zeiten von Veränderungen und Unsicherheiten attraktiv. Interim Manager (Anm. der Red.: schliesst die weibliche Form mit ein) bieten genau diese Unterstützung, indem sie ihre Expertise und Führungsqualitäten im entscheidenden Moment einbringen. Sie helfen Organisationen, kritische Übergangsphasen zu meistern, Projekte erfolgreich abzuschliessen oder kurzfristige Vakanzen zu überbrücken.

Herr Schweizer, was ist Interim Management überhaupt?

Interim Management ist eine Management-Dienstleistung, bei der erfahrene Führungskräfte beauftragt werden, vorübergehend in einem Unternehmen oder einer Organisation einen zeitlich begrenzten Führungsbedarf zu decken, um spezifische Aufgaben oder Projekte zu leiten sowie Führungsprobleme zu lösen.

Wann kommt Interim Management zur Anwendung?

Die Gründe für die Inanspruchnahme von Interim Managern sind vielfältig. Dazu zählen unter anderem das Schliessen von Managementlücken aufgrund von personellen Ausfällen oder Veränderungen, die Einführung neuer Geschäftsbereiche oder Technologien, die Umsetzung von Restrukturierungsprojekten bis hin zur Bewältigung von Krisen. Unternehmen nutzen Interim Management, um flexibel auf spezifische Bedürfnisse und Herausforderungen zu reagieren, wobei sie den Vorteil geniessen, nicht langfristige personelle Verpflichtungen eingehen zu müssen.

Wie entstehen denn Führungs- bzw. Managementlücken?

Führungswechsel können einen personellen Hintergrund haben oder aber auf die Organisation, das Umfeld und externe Einflüsse zurückzuführen sein. Z.B., wenn Führungskräfte in den Ruhestand treten oder aus anderen Gründen ausscheiden. Führungskräfte können sich auch aus persönlichen Gründen entscheiden, neue Herausforderungen zu suchen und ihre Karriere anderswo fortzusetzen. Oder die aktuelle Führungsperson erfüllt die in sie gesetzten Erwartungen nicht. Ein Führungswechsel kann aber auch Teil der strategischen Personalentwicklung sein, bei der talentierte Mitarbeitende auf Führungspositionen vorbereitet und gefördert werden.

Warum ist ein Führungswechsel denn so heikel?

Ein Führungswechsel in einer Organisation kann tiefgreifende Konsequenzen nach sich ziehen, die sich positiv oder negativ auswirken, aber grundsätzlich stets Risiken in sich bergen. Z.B. können Führungswechsel auf oberster Ebene eine Neuausrichtung der Mission und Strategie der Organisation zur Folge haben oder einen Kulturwandel oder eine Ressourcenallokation auslösen, was zu Änderungen in der Finanzierung von Programmen und Projekten führen kann. Beziehungen zu Spendern, Partnern, Behörden und anderen Interessengruppen können sich durch Führungswechsel verändern.

Wie bereiten Sie sich auf ein neues Mandat vor?

Wir arbeiten mit dem Transition-Phasen-Modell (TPM). Dieses systematisiert den Ablauf eines Interim-Management-Einsatzes vom Zeitpunkt der Übernahme des Auftrages bis zur Übergabe der Führungsverantwortung an die neue Führungsperson. Während der Transitionsphase werden alle notwendigen Schritte unternommen, um die im vorgängig fixierten Rahmenvertrag angestrebten und geplanten Veränderungen umzusetzen und die Organisation in die neu definierte Form und Struktur zu führen.

Was sind typische Skills eines Interim Managers?

Ein Interim Manager muss sich in die Perspektiven und Bedürfnisse anderer Menschen einzufühlen und deren Empfindungen und Motive verstehen. Er sollte Probleme rasch identifizieren bzw. komplexe Probleme analysieren, strategische Entscheidungen treffen und effektive Lösungen entwickeln. Er sollte Informationen effizient, zielgruppengerecht und transparent vermitteln und fähig sein, mit verschiedenen Stakeholdern zu interagieren. Ein erfolgreicher Einsatz erfordert ferner branchenspezifische Kenntnisse, insbesondere ein tiefes Verständnis der Anforderungen und Herausforderungen der jeweiligen Branche. Erfahrung in der Projektsteuerung und -überwachung ist ebenso erforderlich wie die Fähigkeit zur Identifikation von Risiken und zur Entwicklung von Massnahmen zur Risikominderung. Ein Interim Manager muss die finanziellen Verflechtungen und Prozesse ebenso gut verstehen, wie Kenntnisse im strategischen Finanzmanagement vorweisen können. Mitentscheidend ist die Fähigkeit, ein Team effektiv zu führen, indem die Mitarbeitenden motiviert, auf gemeinsame Ziele ausgerichtet und Regeln sowie Normen konsequent durchgesetzt werden. Manchmal muss das Wunschdenken der Auftraggebenden in Relation zu den praktischen Lösungsmöglichkeiten gebracht werden. Ausreichend positive Referenzen, ein guter Ruf sowie Verschwiegenheit und Diskretion sind natürlich hilfreich.

Kann jeder Interim Manager werden?

Ein Interim Manager muss seine berufliche Erfahrung und sein Fachwissen objektiv bewerten, um zu entscheiden, ob seine Kompetenzen für den potenziellen Auftrag ausreichen. Erfahrungswerte und Referenzen aus bisherigen Projekten dienen als Indikatoren für die eigene Eignung. Die Einsätze sind meist sehr zeit- und arbeitsintensiv, erfordern hohe Konzentration, einen überdurchschnittlichen Einsatz und sind häufig mit hohem Druck und straffen Zeitplänen verbunden. Stresssituationen, insbesondere im Zusammenhang mit geplanten Veränderungen, sind vorprogrammiert. Der Interim Manager darf keine Angst vor finanziellen Unsicherheiten haben, wie etwa der Haftung für Entscheidungen im Rahmen seines Einsatzes oder möglichen Reputationsrisiken und muss in der Lage sein, Druck, Intrigen, Missgunst, Hindernisse und Sabotage auszuhalten und angemessen darauf reagieren.

Gibt es einen Unterschied zwischen Interim Management und Consulting?

Interim Manager und Consultants übernehmen grundlegend unterschiedliche Rollen im Bereich der Unternehmensberatung und -unterstützung. Der Interim Manager ist eine temporäre Führungsperson, die auf Zeit eine Unternehmens-Funktion ersetzt bzw. vertritt. Der Consultant ist ein Experte auf einem bestimmten Gebiet oder eines bestimmten Bereichs mit dem Auftrag, spezifische Probleme zu lösen. Die Unterscheidung zwischen einem Interim- und einem Beratereinsatz ist wichtig, da sie wesentliche Auswirkungen auf die gesetzten Ziele und Indikatoren, die Erfolgsmessung sowie die Bewertung der Effektivität und des Mehrwerts des Einsatzes hat.

Gibt es Entwicklungstrends im Interim Management?

Als Reaktion auf Krisen und unvorhergesehene Herausforderungen steigt die Nachfrage nach Interim-Management-Dienstleistungen. Der Druck zur Flexibilisierung und die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeitsstrategien fördern diesen Trend. Unternehmen legen vermehrt Wert auf Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR), was auch den Bedarf an Interim Managern erhöht, die diese Themen gezielt adressieren können. Während Interim Management traditionell mit kurzfristigen Projekten und Überbrückungseinsätzen assoziiert wird, gewinnen auch längerfristige, strategisch orientierte Engagements an Bedeutung. Ferner zeichnet sich eine zunehmende Spezialisierung von Interim Managern ab. Neben umfassendem betriebswirtschaftlichem Know-how und Führungserfahrung verfügen sie zunehmend über spezialisierte Fachkenntnisse in Bereichen wie Change-Management, Restrukturierung, Krisenmanagement und Digitalisierung. Diese spezialisierten Fähigkeiten ermöglichen es ihnen, gezielt auf komplexe Herausforderungen zu reagieren. Darüber hinaus erweitern sich ihre Expertise auf neue Trends wie nachhaltige Transformationen, innovative Geschäftsmodelle und digitale Transformation, um den sich rasch wandelnden Anforderungen des Marktes gerecht zu werden.

Zur Person

Matthias Schweizer, Dr. phil., ist als Experte für temporäre Managementaufgaben in sozialen Einrichtungen tätig. Mit seinem ausgeprägten Flair für das Gestalten von Organisationen im Spannungsfeld Mensch, Ökonomie und Umwelt entwickelt er mit den Auftraggebenden Problemlösungen und sorgt für deren Umsetzung. Durch seine Engagements in Bildungsinstitutionen ist er gut vernetzt und vertraut mit den aktuellen Lehrmeinungen bzw. Erkenntnissen betreffend Organisation und Prozesse. Mit Experten verarbeitet und publiziert er Erfahrungen und Erkenntnisse aus Theorie und Praxis. Matthias Schweizer lebt in Basel, ist verheiratet und hat zwei Töchter.