Pflege- und Betreuungsbereich unter Dauerdruck

Personal- und Ressourcenmangel erfordern Effizienzsteigerungen und Qualitätssicherung durch verstärkte Personalentwicklung.

Laut Schätzungen des Bundes sind 20 Prozent der gesamten Bevölkerung in der Schweiz Menschen mit Behinderung. Dazu gehören per Definition jegliche psychischen oder physischen Beeinträchtigungen. 4,4 Prozent davon gelten als «stark eingeschränkt». Und die Bevölkerung wächst insgesamt weiter, mit höherer Lebenserwartung. Fast alle Kantone unterliegen einem Spardiktat. Dies hat Auswirkungen auf den Pflege- und Betreuungsbereich. Innerhalb dessen verfügen die Institutionen für Menschen mit Behinderung über die geringere Lobby. Die öffentliche Diskussion wird vor allem vom Personalmangel in der Alterspflege beherrscht, wobei die Herausforderungen die gleichen sind.

Stehen in der Schweiz rund 1560 Alters- und Pflegeheime zur Verfügung sind es für Menschen mit Behinderung deren 500. Diese sind meistens von Stiftungen oder Vereinen geführt. Finanziert werden sie in der Regel auf der Grundlage von Leistungsvereinbarungen mit den Kantonen. Rund 4,5 Milliarden Franken machen die Betriebskosten der spezialisierten Institutionen im Jahr aus. Im Vergleich dazu betragen die Gesamtkosten von Pflegeheimen rund 10 Milliarden Franken. Leben in der Schweiz ca. 120 000 Personen dauerhaft in Alters- und Pflegeheimen, zählt der Bund etwas über 45 000 Klienten in Institutionen für Menschen mit Behinderung. Ein Drittel mehr als vor 10 Jahren, mit fortlaufender Tendenz. Rund 30 000 Vollzeitstellen stehen zur Betreuung und Pflege zur Verfügung.

Der zunehmende Druck auf diese Branche ist nicht nur hauptsächlich auf die demografische Entwicklung und die steigende Lebenserwartung zurückzuführen. Unbestritten sind der Fachkräftemangel, sowie ein Generationenwechsel in Fach- und Führungsfunktionen mit einer markanten Fluktuationsrate auf geschäftsleitender Ebene. War früher die Stabilität des Arbeitsmarktes die Norm und die Instabilität die vorübergehende Erscheinung, so ist es heute umgekehrt. Obwohl die Gesamtheit aller offenen Stellen gemäss der Datenfirma X28 um 13 Prozent zurückgegangen ist, werden immer noch deutlich mehr Stellen ausgeschrieben als in den Boomjahren 2012 bis 2017. Nach wie vor sind Pflege- und Betreuungsfachkräfte sowie Gesundheitspersonal überdurchschnittlich gesucht.

Es gibt kaum eine Berufsgruppe, die seit Ausbruch der Pandemie derart in den öffentlichen Fokus gerückt wurde wie diejenige der Pflege- und Betreuungsfachleute. Zahlreiche Ausbildungsstätten für Pflegepersonal verzeichnen Rekordanmeldungen. Hinzu kommt, dass nur wenige Branchen so krisenresistent sind wie die Pflege und Betreuung. In wirtschaftlich angespannten oder unsicheren Zeiten gewinne diese an Bedeutung. Das Schweizerische Observatorium für Berufsbildung hat 2016 berechnet, dass bis 2030 65 000 Pflegende fehlen werden. Ferner steigen 40 Prozent der ausgebildeten Pflege- und Betreuungsfachkräfte im Verlauf ihrer Karriere wieder aus dem Beruf aus.

Eine weitere Studie analysierte mit Hilfe einer Befragung von rund 150 ehemaligen Pflegenden die Gründe ihres Berufswechsels - jede vierte Person betreute zuvor Menschen mit Behinderung. Im Fazit wurden alle berufsbedingten Ausstiegsgründen mit (zu) knappen Personal- und Zeitressourcen in Verbindung gebracht, mit hoher beruflicher Belastung und Überforderungen, die letztlich zu gesundheitlichen Problemen führen. Die Konsequenz davon bestätigt eine Unia-Umfrage bei 1194 Pflege- und Betreuungsfach-Personen aus der Langzeitpflege. 40 bis 50 Prozent der Befragten möchten ihren Beruf nicht bis zur Pensionierung ausüben, hauptsächlich aufgrund gesundheitlicher Probleme. Weiteren Studien zufolge fehlt im gesamten Sozial- und Gesundheitswesen in den nächsten zehn Jahren eine halbe Million Arbeitskräfte in der Schweiz.

Durch die Ökonomisierung der Pflege-Tätigkeit sowie der Spezialisierungs-Tendenzen bezgl. Klienten, Personal und Infrastruktur gewinnen betriebswirtschaftliche Überlegungen weiter an Relevanz. Effizienz und Qualität haben einen immer höheren Stellenwert. Hinzu kommt ein fortlaufender Druck auf die Organisationen, sich permanent den sich ändernden gesellschaftlichen, technologischen, politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen.

Die Branche ist gezwungen, den Fokus verstärkt auf die Verbesserung von betrieblichen Abläufen und organisatorischen Strukturen, die Personal-Entwicklung sowie auf die Kundenorientierung zu richten, soweit sinnvoll auf der Basis der Digitalisierung von Prozessen und damit verbunden der intensiveren Nutzung von Daten. Die Effizienz der Organisationen kann durch fortgeschrittene betriebswirtschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen sowie den Einsatz digitaler Technologien gesteigert werden. Eine gute Gelegenheit, die Organisation neu zu denken.

Quellennachweis: BfS, Unia, Schweizerisches Observatorium für die Berufsbildung, OBS EHB, Obsan, Moncrier-Stellenreport 2020

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